Samstag, 18. Juli 2009

19.Tannenberglauf Seeheim

Kurzfristig mal schnell zum Tannenberglauf in Seeheim angemeldet. Den Flyer hatte mir jemand beim Darmstädter Stadtlauf in die Hand gedrückt. Voll mit Wettkampfterminen, wollte ich eigentlich 4 Wochen keinen Wettkampf laufen. Aber so ein 10'er geht doch irgendwie immer.
Der besondere Reitz des Tannenberglaufes besteht darin, in den ersten 3 km ca. 230 Höhenmeter zu überwinden. Dann sollte das schlimmste überstanden sein. Die Werbetrommel für den Lauf wurde heftig gerührt, es ist also mit einem hohen Teilnehmerzuspruch zu rechnen. Auf den Plakaten kann man schon sehen, dass der erste Platz schon vergeben ist. Dominik Burkhardt die lokale Laufgröße aus Südhessen wird am Start sein.



Der Tannenberglauf, für einen Flachlandläufer vom Altrhein ein heftiges Höhenprofil



noch keine Ahnung was auf mich zu kommt, Stimmung noch gut



ab hier 230 Höhenmeter bis zum Wendepunkt in den Ruinen der Tannenburg

Zeitig in Seeheim angekommen. Im aller Selenruhe die Startunterlagen geholt. Ich habe noch viel Zeit und erkunde schon mal den Start und Zielbereich. Der Start liegt ganz dicht beim Ziel. Allerdings ohne die Bibchip Sensoren. Das bedeutet, die Uhr läuft beim Startschuß und endet wenn man durch das Ziel (mit Bibchip Sensoren) läuft. Also ganz nach vorne beim Start, sonst kann man hier schon wertvolle Zeit in den beengten Straßen um den Zielbereich herum liegen lassen. Noch umziehen und ein wenig warmlaufen, dann kann es auch losgehen. Die Temperaturen sind sehr angenehm, etwas über 20°. Ich schaffe es tatsächlich in den vorderen Bereich der Startes zu kommen. Aber anstatt endlich den Startschuss abzufeuern, wird noch ewig lange der Streckenverlauf erklärt. Man könnte fast glauben, es würden keine Ordner an der Strecke stehen, und Schilder gibt es auch nicht. So ausführlich wird der Weg beschrieben, dass die Läufer/innen an der Startlinie schon die Gesichter verziehen. Aber jetzt geht es endlich los.



der Start mitten in der engen Fußgängerzone.

Wie immer gleich mal schnell weg von Start. Nach ein paar hundert Metern geht es links um die Kurve den Berg hinauf. Jetzt geht die Quälerei los. Der erste Anstieg von 90 Höhenmetern auf 700 Meter Strecke muß teileweise über Treppen erklommen werden. Mir reicht es jetzt schon. Auf was habe ich mich denn da wieder eingelassen. Ich bin total froh, dass ich endlich diese erste Hürde genommen habe. Vorbei an dem Schulungszentrum der Lufthansa. Hier ist die Strecke jetzt halbwegs eben. Der erste Verpflegungsstand ist auch schon da. Gleich mal ein Isotonisches Getränk geschnappt nach nicht mal 10 Minuten laufen. KM Schilder gibt es scheinbar keine. Ich habe überhaupt keine Orientierung wie schnell ich eigentlich unterwegs bin. Die kurze Erholungsphase ist vorbei. Der Weg führt wieder in den Wald, steil nach oben. Kein Ende in Sicht. Wie lange dauern denn diese 3 KM bis zur höchsten Erhebung. Dass es so brutal werden würde, habe ich mir nicht träumen lassen. Der Weg ist leicht aufgeweicht durch die vielen Regenfälle der letzten Tage. Zum Glück habe ich mich für die stabileren Wave Rider Schuhe, anstelle der sonst bei 10km Strecken üblichen Lightweight Treter entschieden. Der Matsch macht das Bergauflaufen noch schwieriger. Da denkt man, dass es nach der nächsten Kurve endlich wieder eben ist, aber es geht immer weiter nach oben. Von der Tannenburg noch keine Spur. Ich muß jetzt irgendwie da durch, blos nicht gehen. Das wäre der Anfang vom Ende. Los zusammenreißen. Da kommt mir Dominik Burkhardt entgegen. Er war also schon am Wendepunkt in der Tannenburg. Dann muß ich auch bald oben sein. Ja ! Da ist die Ruine. Mit letzter Kraft noch hochgeschleppt. Durch die Ruine durch und jetzt nur nach unten. Am Scheitelpunkt taumele ich fast wie ein Besoffener. Ich bin jetzt schon total am Ende. Und eigentlich sind ja erst ca.3km vorbei. Die Uhr sagt um die 15 Minuten 30 Sekunden. Da hier ja keine KM Schilder stehen, dann kann man das auch nicht richtig zuordnen.



Der Wendepunkt. Die Tannenburg. Das Schlimmste ist überstanden.
Urheber des Bildmaterials: Spot1972

Jetzt heißt es konzentrieren und nicht im Matsch ausrutschen. Die Strecke wird eng. Ein paar Meter müssen wir uns den Weg mit den noch rauflaufenden Läufer/innen teilen. Am Anfang ist das Bergablaufen noch angenehm. Aber je länger es dauert, um so anstrengender wird es. Es geht rasend schnell nach unten. Der Puls von 170 (93%HFmax) bei der Steigung ist jetzt auf 155 (85%) gefallen. Die Kurven haben es in sich. Aufpassen im Matsch ! Jetzt geht es wieder ein kleines Stück nach oben. Das müßte also ungefähr KM 4 sein. Wir passieren die Treppen vom Aufstieg. Aber diesmal geht es vor dem Schulungszentrum der Lufthansa links runter Richtung Ortskern von Seeheim. Wieder steil bergab diesmal auf Asphalt. Das tut jetzt schon sehr weh. Ich hoffe nur, dass ich das alles ohne Verletzung überstehe. Das Tempo ist brutal hoch. Jeder stürzt sich die Straße hinunter. Ein paar Abzweigungen und es wird wieder halbwegs eben. Die Gegend kommt mir vertraut vor. Wir sind wieder im Start/Ziel Bereich. Vorbei am Friedhof, der Sporthalle noch kurz hoch. Links und gleich wieder rechts in eine sehr schmale Gasse. Hier kann jetzt nicht überholt werden, nur ein Läufer passt zwischen den Häusern durch. Nochmal ein Stück bergauf und rechts zum Zieldurchlauf. Und jetzt, wie geht es weiter ? 4 Runden sind im Ortskern zu laufen. Das sorgt für Verwirrung. Ich bin mir jetzt auch nicht mehr so sicher, und frage fast jeden Streckenposten an dem ich vorbei komme. Insgesamt muß man also 4 mal durch das Ziel laufen. Ich bin nur noch am überholen, denn jetzt kommen immer mehr Teilnehmer dazu. Runde um Runde wird es voller. Ich bin am Ende, weis gar nicht, wie ich das noch schaffen soll. Dabei sieht es doch ganz gut aus. Die Stimmung im Ortskern ist klasse. Das baut nochmal auf für die letzten 2 Runden. Im Zielbereich wird es nun immer enger. Viele Läufer/innen stehen schon mit dem Zielbier in der Hand an der Seite, obwohl ich mir sicher bin, dass da noch die eine oder andere Runde fehlt. Nicht irre führen lassen. Ich vertraue auf die Uhr. Die sagt nach 3 Runden um die 40 Minuten. Das kommt hin mit der Zeit. Nochmal die letzten Kräfte mobilisieren. Da geht noch was. Schnell vor der kleinen Gasse noch ein paar Läufer überholt. Mist ! Trotzdem ist noch jemand vor mir. Ich kann leider nichts machen. Raus aus der Gasse gleich überholt. Endspurt angesetzt. Das Ziel ist sichtbar. Das schaffe ich noch unter 44 Minuten. Auf los jetzt. Geschafft ! 43:51 ! Na das ist doch ganz gut für mich als nicht Bergläufer. Was ich im Anstieg auf die Tannenburg verloren hatte, konnte ich wohl in den Runden im Ort wieder gutmachen.



Das Ziel mit Bibchip Zeitmessung. Am Start allerdings kein Sensor. Wie geht das denn ?



Siegerehrung mit Grossleinwand. Links, die beiden Sieger Said Azouzi und Younes Ammouta vom Lang Lauf Jugenheim verlassen gerade die Bühne. Platz 1 und 2 in der Zeit von 33:39,7 vor Lokalmatador Dominik Burkhardt (35:01,3).

Am Ende für mich fast unglaublich. Platz 19 insgesamt und Platz 2 in der Altersklasse. Super. Damit habe ich im Leben nicht gerechnet. Ein brutaler, aber letztlich schöner 10’er auf die Tannenburg.

Freitag, 3. Juli 2009

12.Marburger Nachtmarathon

Kurz entschlossen hatte ich mich für den Marburger Nachtmarathon angemeldet. Nicht mal 4 Wochen war es her, als ich den letzten Marathon (Mittelrhein) meiner Marathontripleserie gelaufen war. Nach dem Mittelrheinmarathon hatte ich doch erhebliche Probleme mit der Leiste bekommen. Es dauerte etwa 2 Wochen, bis das wieder so halbwegs im Griff war. Mehr als reduziertes Training war also erstmal nicht drin.
1. Woche - 3 Einheiten 44km locker
2. Woche - 6 Einheiten 86,4km incl. langer Lauf mit 25,5km
3. Woche - 5 Einheiten 70,7km incl. langer Lauf mit 25km und 5km Wettkampf Darmstädter Stadtlauf
4. Woche - 3 Einheiten 30,3km kurzer 3x1500m Testintervall im MT, Rest locker ; Freitags dann Marathon

Freitags zeitig von der Arbeit weg, noch schnell Gabi in Kriftel eingeladen, und ab auf die A5 Richtung Marburg. Es gab ein paar kleinere Staus, aber trotzdem sind wir relativ früh in Marburg. Es sind schon viele Läufer/innen im Marburger Universitätsstadion versammelt. Alles super organisiert und schön hergerichtet. Das einzige Problem an diesem Tag sind die hohen Temperaturen. Ca. 29 Grad sind es. Die Hitze drückt. Es sieht allerdings so aus, als könnte noch ein heftiges Wärmegewitter losgehen.



trotz hoher Anzahl von Voranmeldern professionel organisiert, ohne das Flair einer kleinen, beschaulichen Veranstaltung zu verlieren



Bis zum Ziel liegen noch 42,2km und Temperaturen um die 29 Grad vor uns

Vom Stadion aus, muß man noch den Fußweg zum Startplatz in der Marburger Altstadt hinter sich bringen. Das dauert ca.15 Minuten und beinhaltet um die 100 Höhenmeter. Also braucht man sich nicht mehr warmlaufen. Es geht nach oben durch die wunderschöne Marburger Altstadt. Der Marktplatz ist schon sehr voll, eine tolle Stimmung ist hier.



Der historische Marktplatz von Marburg. Alles wartet auf den Start
Foto von Laufjoe

Der ehemalige Weltklasse Biathlet Sven Fischer ist da, um den Startschuss abzufeuern. Überhaupt viel Prominenz ist angereist. Sogar die deutsche Spitzenathletin Susanne Hahn wird den Halbmarathon laufen, und auch in 1:16:48 gewinnen. Die Wolken haben sich verzogen, die Gewittergefahr ist vorbei. Die hohen Temperaturen um die 29 Grad bleiben jedoch. Pünktlich um 19 Uhr kommt der Startschuss.



Am Start wie immer bester Laune. Links die Marathonurgesteine Josef mit Frau und "Henne". Rechts Gabi und Frank
Foto von Laufjoe

Erst mal ca. 1km nur die enge Barfüßerstraße der Altstadt hinunter. Vorbei an kleinen Kneipen und Cafe’s . Trotz der Enge und einigen Überholmanövern hat man hier schnell ein super Tempo drauf. Wir verlassen den Altstadtbereich und kommen auf die fast 180 Grad Kurve an der Universitätsstraße. Jetzt ist viel Platz. Das Gefälle ist nun leider vorbei, aber die Geschwindigkeit ist immer noch sehr hoch. KM1 stoppe ich mit 3:54 ! Verrückt ! Nun gut, da war ja auch das Gefälle, entscheidend sind die nächsten KM, und wie wird sich die mörderische Hitze auswirken. Mein Plan ist wie in den letzten Marathonläufen gleich. Erst mal auf die Sub 3 Stunden angehen. Schauen, wie lange ich das Tempo halten kann. Mir ist natürlich klar, dass es heute damit nicht klappen wird, vielleicht wenn es 10 Grad kälter wär schon. Aber egal, ich schaue erstmal, dass ich ungefähr den 4:15/km Schnitt halten kann. Ich bin doch erstaunt, wie viele Leute an der Strecke stehen. Das beflügelt natürlich und macht Spaß. Immer wieder kann man links hinauf auf die historische Altstadt schauen. Wirklich sehr schön hier. Zur linken jetzt die Philips Universität, es gibt überall was zu sehen. Die Zeiten : KM2 kommt mit 4:03 und KM 3 mit 4:05. Das ist ja total irre ! Nun kommt auch schon zur rechten die Elisabethmühle eine der ältesten historischen Gebäude der Stadt. Nun hat das Marathonsightseeing erst mal ein Ende. Es geht raus aus der Stadt die Bundesstraße neben der Lahn zum Ort Wehrda. Die Hitze macht mir zu schaffen, aber es läuft. Die Halbmarathonies ziehen einen gut mit. Bei KM4 (4:21/km) nehm ich ein wenig Tempo raus, um den Puls wieder zu drücken. Das klappt aber nur kurz und der Puls schnellt wieder hoch. KM5-7 nun alle um die 4:15/km rum. So war es ja geplant. Nach Wehrda wird die Lahn überquert und es geht rechts rein, ins frisch abgemähte Feld. Puh ! Das macht einem zu schaffen. Die Luft ist hier sehr trocken und für Allergiker bestimmt kein Spaß. Hoffentlich kommt bald mal ein Versorgungsstand, dass ich den Staub im Hals runterspülen kann. Die Verpflegungsstation kommt und ich kann endlich was trinken. Es gibt alle 4 KM Verpflegungsstationen. Im Normalfall ist das absolut ausreichend, doch heute könnte ich alle 2 km so eine Station gebrauchen. Wir laufen an einem Footballfeld vorbei. Auf dem Parkplatz ziehen sich Spieler gerade um. Ich denke nur an die schwere Ausrüstung, die tun mir ja leid. Weiter am Lahnufer. Hier sitzen Angler in einer Seelenruhe und gehen Ihrem Hobby nach. Ich gehe auch meinem schönsten Hobby nach, nämlich Marathon laufen, und ich bin schon ganz schön am schwitzen. KM 9 Schild habe ich verpasst, jetzt muß ich aufpassen, dass ich die „10“ nicht übersehe, sonst gibt es keine Richtzeit für mich. Da kommt ja die „10“ endlich. Mal sehen……41:58 für 10km. Wie krank ist das denn ? Also das ist mal klar, dass es so nicht weitergeht, aber erstmal laufen wir wieder an einer schönen Ansammlung von Zuschauern vorbei. Sie bilden eine kleine Gasse für die Läufer, das mag ich ja total, also wird nicht gedrosselt mit dem Tempo. Weiter am wunderschönen Lahnufer, nur ein paar Mücken stören die Idylle. Das Universitätsstadion nähert sich zum ersten Mal. Kurz vor dem Stadion müssen wir über einen schmalen Holzsteg die Lahn überqueren. Nun geht es auf der anderen Seite weiter. Zur linken die Lahn und zur rechten sitzen viele Studenten auf den Lahnwiesen und genießen die Feierabendstimmung mit Bier und anderen Getränken. Da dieser Teil der Strecke 3 mal für die Marathonläufer absolviert werden muß, stehen auch schon die Schilder am Rand. Ich laufe an der „23“ vorbei, da wird mir erst bewußt, was ich noch alles vor mir habe. So geht es jetzt immer weiter an der Lahn entlang. Die Temperaturen werden nicht angenehmer. Was ich schon die ganze Zeit befürchtet habe tritt ein. Die KM Zeiten werden schlechter ! Der Puls geht weiter hoch auf 167(91%HFmax) und der Schnitt pendelt sich bei ca. 4:20/km ein. Also eines ist jetzt sonnenklar. Sub 3 kannste heute knicken ! Immer weiter in Richtung Gisselberg, jetzt ist der Laufweg neben der Bundesstraße, das ist nicht mehr so schön. Überall kleine Stimmungsnester. Die Zuschauer sind echt klasse. Endlich weg von der Bundesstraße, rein ins Örtchen Gisselberg. Hier ist was los auf der Straße. Und der nächste Getränkestand kommt zum Glück. Wir verlassen Gisselberg. Der Weg führt weiter Richtung Autobahn. Schließlich läuft er parallel dazu. Mit Hilfe der Autobahnbrücke geht es wieder über die Lahn. Ich versuche beim runterlaufen von der Brücke ein wenig zu verschnaufen. Aber ich bin jetzt schon fix und alle. Scharf rechts unter der Autobahn durch, geht es jetzt auf der anderen Seite wieder in umgekehrter Richtung weiter. Hier sieht man schon, dass es für Runde 2 und 3 eine kleine Zusätzliche Schleife zu laufen gibt. Kurz vor der Lahn wieder unter der Autobahn durch. Hier wird es jetzt ein bisschen abenteuerlich. Ein Trampelpfad für maximal 1 Läufer/in in der Spur. Überholen, sehr schwierig und kostet Kraft, da man ins Gras ausweichen muß. Aber es geht ja nicht lange. Nochmal unter der Bahn durch und schon sind wir wieder mitten im Feld auf einem asphaltierten Weg. Es geht wieder nördlich Richtung Stadion. Was macht denn eigentlich die Zeit. KM17 drücke ich bei 1:12:11 ab. Macht ein Schnitttempo von ca. 4:15/km. Trotz schlechterer KM Zeiten immer noch im super im Soll. Aber ich zehre ja auch von meinem erlaufenen „Vorsprung“ aus den ersten 10km. Ein Fahrrad begleitet uns die ganze Zeit schon. Ja hat der nichts besseres zu tun, als uns schwitzen zu sehen ? Nein, jetzt kapier‘ ich das Ganze. Er ist der Kumpel von einem Läufer, und jetzt gibt er Ihn noch die Getränkeflasche ! Das geht ja schon mal gar nicht ! So eine Sauerei ! In den Richtlinien steht doch ganz klar, dass Fahrradbegleitung verboten ist. Wo kommen wir denn da hin, wenn da jeder seinen Begleiter dabei hat. Ich hätte jetzt auch gern was zu trinken, aber ich muß warten auf den nächsten Getränkestand. Und dieser Typ kann trinken wann er will. Und das Beste, er muß die Flasche nicht mal mitschleppen. Auf solche Betrügereien steh‘ ich ja total ! Ich überhole die beiden, und kann es mir nicht verkneifen eine Bemerkung zu machen. Naja, die Startnummer läßt darauf schließen, dass er nur den Halbmarathon läuft. KM18, KM 19 wieder unter einer Brücke durch. Zur rechten jetzt der Stadtteil Cappel. Ein bisschen Industrie und Einkaufszentren, nicht mehr so schön, aber nun sind wir wieder direkt an der Lahn. Die Halbmarathonies setzen die letzten Kräfte frei. Ich plaudere mit einem der Glücklichen, welche es gleich geschafft haben. „stell schon mal weil das Bier kalt, ich muß noch zwei Runden laufen“, „für mich reicht heute der Halbe, ich bin vor 4 Wochen erst den ganzen in Koblenz gelaufen“ ist seine Antwort. Na super, ich bin vor 4 Wochen auch den ganzen in Koblenz gelaufen ! Jetzt hilft kein Jammern mehr, ich muß da noch zwei mal runter ! Der Lahndamm auf dem wir laufen teilt sich auf, links die Marathonläufer, rechts die glücklichen Halbmarathonfinisher. Es wird eng, viele Zuschauer und eine super Stimmung. Da kann man nochmal eine Schippe drauf legen. Ich laufe am Stadion vorbei und schaue etwas neidisch auf die Halbmarathonläufer, welche gerade ihre letzte Runde im Stadion laufen. Ich muß wieder rüber über den schmalen Holzsteg. Was ist denn hier los ??? Alles voller schleichender Läufer, ich rufe ACHTUNG von hinten. Es hilft nichts, kein Platz für mich, viel zu schmal der Steg. Einige machen Platz, aber andere hören dank MP3 Player im Ohr nichts. Ich rausche voll rein. Das bringt mich ein wenig aus dem Tritt, aber es geht weiter. Gleiche Strecke runter nach Gisselberg. Was waren denn das eigentlich für Läufer/innen ? Jetzt dämmert es mir. Das waren die Marathonläufer und Halbmarathonläufer welche erst 11km hinter sich haben. Das bedeutet, das werden jetzt immer mehr werden, welche ich überholen muß. Tatsächlich muß ich jetzt ständig mit rufen mir Platz verschaffen. Hier laufen jetzt viele nebeneinander, plaudern und versperren so die Strecke für die schnelleren. Aber die meisten machen doch rechtzeitig Platz. Aber es nervt, und so manche extra Manöver müssen gelaufen werden. Wie war denn eigentlich meine Halbmarathonzeit, ich habe die letzen Schilder alle verpasst. KM22 zeigt mir ne 1:34:09 an. Also dürfte der HM Durchlauf bei knapp unter 1 Stunde 31 Minuten gelegen haben. Mal sehen, wie sich das weiter entwickelt, ich rechne mit dem Schlimmsten. Diese Hitze macht mich heute einfach total fertig. Immer wieder Anfeuerung von den Studenten auf den Lahnwiesen. Die Strecke wird und wird nicht kürzer. Für KM23 brauche ich 4:29/km. Jetzt geht es also los ! Der Einbruch ist nicht mehr aufzuhalten. Trotzdem überholt mich niemand. Da hat wohl jeder so mit den Temperaturen seine Schwierigkeiten. Ich hoffe nun auf das Gel, das ich mir bei KM 20 eingeworfen habe. Stur geht es weiter den Radweg entlang. Ich muß hier jetzt echt mein Ding durchziehen. Keiner da, mit dem man laufen könnte, keine Unterhaltung, die einen mal ablenkt. Zum Glück plagen mich heute keine Orthopädischen Probleme wie beim Mittelrheinmarathon. Rechtzeitig zum Start in Marburg hatte ich doch alles so halbwegs in den Griff bekommen. Ich hatte mir lediglich über bei Waden/Wadenbein Kinesio Tapes geklebt und natürlich auch an der Problem Leiste. Das scheint ja heute zu klappen, denke ich mir noch. Aber wie soll ich bloß diese ganzen KM noch laufen ? Den Abzweig nach Gisselberg habe ich erreicht. Die Zuschauer hier harren immer noch aus. Klasse ! Der Getränkestand in Gisselberg ist schwierig zu erreichen. Viele Läufer/innen stehen einfach an den Tischen und machen keinen Platz. Wer kann es Ihnen verdenken, die sind halt alle am Ende. Weiter geht es, wie schon in der Vorrunde. Autobahnbrücke über die Lahn, aber jetzt der Zusatz für die Marathonläufer. Vor mir sehe ich 3 Läufer, die kann ich bestimmt noch einholen. Ich laufe am Streckenposten vorbei und frage „wie viele sind den vor mir ?“ „ungefähr 15“ ist die Antwort. OK, dann mal los, vielleicht geht da ja was. Die extra Schleife ist gelaufen, und ich bin wieder auf dem regulären Weg. Ich greife jetzt sogar zum nassen Schwamm. Sowas habe ich bisher noch nie gebraucht. Ich sehne die Getränkestationen herbei. Der Wasserbedarf ist heute enorm hoch. Nun der Trampelpfad, und wie schon befürchtet in der ersten Runde, hier kann es zu Staus kommen. Müheseelig versuche ich im Gras zu überholen. Geschafft, der sogenannte „Lahnfahrradweg“ ist wieder erreicht. Weiter geht es. KM 28 ist eine 4:31/km. Es sieht so aus, als könnte ich wenigstens noch unter 4:40/km bleiben. Wie lange wohl noch ? Aber, die 3 Marathonläufer habe ich eingeholt. Also wenn das stimmt, was die Streckenposten gesagt haben, dann bin ich jetzt auf Position 12. Das läßt doch hoffen auf eine Platzierung in der Altersklasse ! Bei KM 29 ist Cappel erreicht. Noch 13 km ! Was für ein Drama. Immer mehr schwinden die Kräfte. Schon lange denke ich in 5km Abschnitten. Mir geht der Ultramarathon von Eschollbrücken durch den Kopf. Wie einfach doch dort die ersten 40km waren im Vergleich zu heute. Naja, das waren eben auch andere Bedingungen. Das brutale Wettkampfprogramm der letzten Wochen geht halt auch nicht spurlos an mir vorbei. Bald kommt ja das Stadion, und da wird die Stimmung nochmal gut. Das ist wieder mal ein kurzer Highlight. Bei KM30 stehen 2:10:32 auf der Uhr. Jetzt will ich mal rechnen. Also unter 3:10 am Ende, das wäre schon toll. Dafür müßte ich jetzt aber einen Schnitt weit unter 5min/km bis ins Ziel durchhalten. Ich höre das Stadion. Der kleine Lahndamm ist überfüllt, ich muß ganz schön ausweichen, wieder drehen einige Läufer/innen ab ins Stadion. Ich muß noch ne Runde. Der Holzsteg ist logischerweise überfüllt. Ich rufe von weitem „Brücke frei !!!“ Es funktioniert bedingt. Die meisten machen Platz, aber auch einige Bremsmanöver sind nötig. So, jetzt noch eine Runde. Nochmal Gel mit Wasser runterspülen. Wo bleibt denn die Versorgungsstation. Es wird jetzt immer mehr zum Slalomlauf. Viele gehen schon, zu groß ist die Belastung am heutigen Tag. Endlich der Versorgungsstand. Ich muß allerdings Cola nehmen, da der ganze Wasserbereich total mit Läufern/innen belegt ist. Mist Cola ! Egal jetzt runter damit. KM32 kommt mit 2:19:53. Na das wären noch über ne Stunde für 10,2 km. Das muß doch klappen. Ich muß nur unter 5min/km bleiben. Zwischenzeitlich hat mich doch tatsächlich jemand überholt, mit einer wahnsinns Geschwindigkeit. Unglaublich ! Scheinbar ist er die ersten beiden Runden auf Sparflamme gelaufen und dreht jetzt erst richtig auf. Wieder runter Richtung Gisselberg. Eine große Läufergruppe ist vor mir. Ich rufe, und bitte um Platz, aber es funktioniert nicht. Irgendwie können sich ein paar aus der Gruppe nicht entscheiden, wo sie hin wollen. Ich rausche wieder voll rein. Sorry, Leute, aber ich hab noch ein Ziel vor Augen, das ich unbedingt schaffen will ! Ein letztes Mal durch Gisselberg. Kinder fahren mit den Fahrrädern auf der Straße rum, wieder Ausweichmanöver machen. Ich nehme Wasser und Iso Getränk am Stand mit. Ich bin total am Ende. Hastig wird das Wasser runtergeschüttet. Mist ich verschlucke mich, muß husten. Jetzt mache ich mir das Leben noch selbst schwer. Brücke über die Autobahn, Kraft sammeln bei runterlaufen. Meine Güte, wie viele gehen denn hier ? Ich bin ja fast der einzige der noch läuft ! Unter der Autobahn durch, da läuft eine Gruppe mit Marathonstartnummern ! Ja, ich kann wieder einige Plätze gutmachen ! Aber wo geht es jetzt weiter, keine Ordner mehr da. Es muß gerade aus gehen, denn nach rechts ist abgesperrt. Also auch in Runde 3 gibt es ne Zusatzschleife. Zur Sicherheit frage ich den nächsten Streckenposten. Alles richtig gemacht, und die Gruppe habe ich ebenfalls überholt. Lediglich einer davon klebt mir hartnäckig an den Fersen. Nochmal Trampelpfad, KM37 nehme ich mit einer 4:58/km. Jetzt wird es wirklich eng ! Auf jetzt, noch 5,2 km, zusammenreißen ! Die Uhr zeigt 2:43:55 und der Puls ist auf 157 (86%) runter gegangen. Die klassischen Anzeichen vom Einbruch. Nicht aufgeben, auch wenn es jetzt weh tut. Versau dir jetzt nicht alles. Ich habe noch gut 25 Minuten für 5km. Das muß doch zu schaffen sein. Zähne zusammenbeißen. Endlich KM 38 und nochmal ne 4:45/km. Na also. Auf noch 4km. Leider kann ich dem Antritt meines Mittstreiters nicht mehr standhalten und muß ihn ziehen lassen. Er wird 50 Sekunden vor mir im Ziel sein. Es wird langsam merklich dunkel. Die Uhr ist schwer abzulesen. Ich höre irgendwoher klar und deutlich AC/DC Musik aus einem MP3 Player. Hey, da ist Laufjoe, er muß noch ne Runde laufen. Ich soll ihm nicht alles Bier wegtrinken. Kein Problem, mit einem Bier dürfte ich heute sternhagelvoll sein. Ich erreiche das Industriegebiet von Cappel. Noch 3 KM. Mann, jetzt müßte doch mal bald das Lahnufer erreicht sein. Das zieht sich vielleicht. KM 39 bleibt konstant mit 4:48/km. So müßte es doch reichen. Ich bin total am Ende. Keine Ahnung wie das noch bis ins Ziel funktionieren soll. Nimmt das denn überhaupt kein Ende mehr ? Endlich KM 40. 2:58:19 jetzt muß es mit dem Teufel zugehen, wen ich das noch versemmele. Aber 2km können so lang sein. Super, da steht ja Michel, der Marathon Franzose und heitert mich noch auf. Halte durch gleich ist es geschafft ruft er mir zu. Und recht hat er ! Km 41 kommt. Nochmal ein Blick zur Uhr 4:49/km. So wird es vielleicht sogar noch unter die 3:09 gehen. Letzte Reserven mobilisieren. Der Triumpf ist zum greifen nah. Mein 11. Marathon wird gleich zu Ende sein. Und das war wirklich einer der brutalsten. Ich laufe auf dem Damm entlang. Schon kommt der Parkplatz vom Schwimmbad. Die Leute sind klasse, machen die Welle für mich. Wie geil ! Ich bedanke mich mit Daumen nach oben. Abzweig ins Stadion, nur noch die Ehrenrunde laufen. Ich bin schon auf der Bahn, da ruft mir Gabi zu. Ich bin etwas irritiert, was ist denn da passiert ? Na, ich werd' es gleich erfahren. Aber schön wenn man auf den letzten Metern nochmal angefeuert wird. KM 42 Schild ist schon passiert. Die Zielgerade sichtbar. Überholen tut mich keiner mehr, die sind weit hinter mir. Ab durch den Zielbogen. Geil, geschafft ! Zeit 3:08:53. Super, trotz der abnormalen Hitze meine 3. beste Marathonzeit. Was will man mehr ? Ich müßte in etwa auf dem 8. oder 9. Platz gelandet sein ! Das wäre ja der Hammer. Also abwarten auf die Ergebnislisten. So, was war jetzt bei Gabi los ? Probleme mit dem Knie ab KM 16. So ein Mist ! Dann lieber einen Halbmarathon in der Wertung, als einen abgebrochen Marathon. Hut ab, vor dieser Entscheidung ! Aber natürlich super ärgerlich, da die beste Frau ca. 5 Minuten langsamer ist als Gabi’s Bestzeit. Also das tut mir leid, und drückt jetzt ein bisschen die Stimmung.
Nach dem Duschen ist es klar, ich habe den Gesammtplatz 8 erreicht und bin in der Altersklasse auf Platz 3 gelandet ! Ich würd‘ mal sagen, das ist mein bestes Marathonergebnis :-)
Jetzt wird noch ein bisschen gefeiert, Joe ist inzwischen auch im Ziel, und benutzt gleich mal seine frisch erworbene Finischer Medallie als Bierflaschenöffner…….
Nach und nach trudeln die anderen bekannten Läufer ebenfalls ein, und es wird noch ein schöner Abschluss.
Marburg kann man wirklich empfehlen, top organisiert, ohne den Charme einer netten kleinen Veranstaltung zu verlieren. Die hohe Starterzahl nimmt man irgendwie gar nicht wahr. Die Strecke ist trotz 3 Runden im Süden von Marburg sehr schön. Die Stimmung ist ebenfalls sehr gut. Wenn es klappt, dann bin ich nächstes Jahr wieder dabei.